Schloss Eutin – Kolja Lessing im Rittersaal
Dem Freundeskreis Schloss Eutin ist es gelungen, den international renommierten Musiker Kolja
Lessing in die Stadt zu holen. Wer Kolja Lessing einlädt, fängt gleich zwei Fliegen mit einer
Klappe: einen tollen Geigenvirtuosen und einen exzellenten Pianisten. Und so war der Abend im
kostbaren Rittersaal zweiteilig: Vor der Pause spielte Lessing Werke für Violine solo (Bachs D-
Moll-Partita, eine Suite von Ferdinand David, Präludium und Fuge von Max Reger), nachher
Klavierstücke (Transkriptionen zweier Schumann-Lieder von Clara Schumann, Brahms’ selten
gespielte Variationen op. 9, zwei Kompositionen von Max Reger 'in memoriam' Johannes Brahms).
Lessing ist dafür bekannt, dass er als musikhistorisch informierter Musiker Raritäten ausgräbt und
diese dann als begnadeter Interpret zu neuem Leben erweckt. Gern bündelt er seine kostbaren
Funde durch einen thematischen Faden, der in diesem Fall von Johannes Brahms ausging.
"Vorbilder, Freunde und Erben" von Brahms waren das Thema des Abends. Lessing stellte in
freier Rede den jeweiligen Bezug her, also Brahms zu Bach (z. B. der 4. Satz seiner 4.
Symphonie, der auf Bachs Chaconne zu antworten scheint), desgleichen Brahms zu David (einem
mit Joseph Joachim und Brahms befreundeten Geigenvirtuosen), Brahms zu den Schumanns (den
Variationen op. 9 liegt ein Thema von Robert zu Grunde, und gegen Schluss wird ein Thema von
Clara zitiert), und Brahms zu Reger (in dem Stück für Solo-Violine zitiert Reger aus Brahms’
Violinkonzert, und in dem Klavierstück "Resignation" klingt am Ende das Thema des 2. Satzes aus
Brahms’ Vierter an).
Das Konzert vom vergangenen Samstag gehört sicherlich zu den Sternstunden des Eutiner
Musiklebens. Der wunderschöne und akustisch hervorragende Rittersaal war sehr gut besetzt, und
das Publikum wollte den Künstler am liebsten gar nicht mehr gehen lassen. Mit einer köstlichen
Zugabe am Klavier - Max Regers "Marsch der Stiftsdamen", einem "Allegro pomposo" von nur 9
Takten Länge - gelang Lessing schließlich der Abgang, nicht ohne von dem Vorsitzenden des
Freundeskreises Schloss Eutin mit herzlichen Worten (und einer kleinen Marzipan-Skulptur, dem
Schloss Eutin) bedankt und verabschiedet worden zu sein.
Peter Petersen
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Peter Petersen, geboren 1940 in Hamburg, studierte Schulmusik und Musikpädagogik, dann
Musikwissenschaft und Germanistik. Nach seiner Promotion zum Dr. phil. habilitierte er sich für
Musikwissenschaft und war seit 1985 Professor an der Universität Hamburg (seit 2005 im Ruhestand).
Seine Veröffentlichungen haben ihren thematischen Schwerpunkt in der Musik des 20. Jahrhunderts (Bartók,
Berg, Lutoslawski, Henze, Hölszky). Einige Texte betreffen die Theorie des Musiktheaters, zahlreiche
Aufsätze sind auf die Neuformulierung einer Theorie der musikalischen Rhythmik ausgerichtet, die im
Frühjahr 2011 als Buch im Schott-Verlag erschienen ist.
Zu seinem 60. Geburtstag wurde ihm der Band Komposition als Kommunikation. Zur Musik des 20.
Jahrhunderts gewidmet. 2001 erhielt er den Fischer-Appelt-Preis der Universität Hamburg. An seinem 65.
Geburtstag wurde ihm die Festschrift Fokus „Deutsches Miserere“ von Paul Dessau und Bertolt Brecht
überreicht. Sein 70. Geburtstag wurde mit einem kleinen Symposion im Musikwissenschaftlichen Institut der
Universität Hamburg begangen.